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Ganztagsakteure im Dialog – Ein Zwischenfazit im Projekt DialOGStandorte

Am 27.09.2022 fand im Haus der Technik die Veranstaltung „Ganztagsakteure im Dialog – ein Zwischenfazit im Projekt DialOGStandorte“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, einen Überblick über das bisherige Projektgeschehen und erste Entwicklungen aus den einzelnen Kommunen zu geben, relevante Themen zu vertiefen und einen Ausblick über zukünftige Herausforderungen im Projektgeschehen zu geben.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Kirsten Althoff vom ISA und begann mit einer Begrüßungsrunde durch die Projektpartnerinnen Laura Scharm (Stiftung Mercator) und Viktoria Latz (Ruhr Futur gGmbH) sowie die stellvertretende Leitung des Bereichs Jugendhilfe-Schule beim ISA, Katharina Fournier. Anschließend gab der Projektleiter André Altermann vom ISA einen Überblick über die bisherigen Geschehnisse in den vergangenen Projektjahren. Herr Altermann betonte dabei noch einmal das Leitbild des Projektes – die kindorientierte Ganztagsbildung. Der Ganztag sollte in diesem Sinne als Lern- und Lebensraum für Kinder gedacht werden. Die Lebensweltorientierung, die Abwägung zwischen objektiven Bedarfen und individuellen Bedürfnissen, die Kombination von non-formaler, informeller und formaler Bildung stellen nicht zuletzt gute Gründe für die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe dar. Hier setzt das Projekt an und arbeitet in Hinblick auf das Leitziel der Förderung gemeinsam gestalteter Qualitätsentwicklung durch und in Kooperation von Jugendhilfe und Schule. (Weitere Informationen zu dem Projekt und dessen Zielen finden Sie hier.)


Darauf folgte der Hauptvortrag von Prof. Dr. Markus Sauerwein von der Hochschule Nordhausen zum Thema „Ganztagsbetreuung, Ganztagsförderung, Ganztagsbildung: Chancen, Herausforderungen und Risiken“. Herr Sauerwein benannte zunächst die laut Koalitionsvertrag formulierten Ziele des Ganztags (u.a. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Steigerung fachbezogener, individueller und sozialer Kompetenzen sowie die Förderung von Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe) und belegte diese anhand von Zitaten aus dem Ganztagesförderungsgesetz (GaFöG) sowie anhand von Auszügen aus dem Zukunftsvertrag NRW. Daraus ableiten lassen sich grundsätzliche Themenfelder und Begrifflichkeiten, die im Diskurs rund um den Rechtsanspruch immer wieder genannt werden (siehe Präsentation, Folie 9).

Herr Sauerwein betont, dass es einigen der Begriffe, die immer wieder als Grundbausteine eines gelingenden Ganztags benannt werden, an anerkannten Definitionen mangele. Dies sind vor allem die Begriffe „Betreuung“, „Erziehung“, „Lernen“, „Fördern“ und „Bildung“.

Die Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten und entsprechende Definitionen seien im Diskus allerdings notwendig, um eine Haltung und ein Selbstverständnis für die inhaltliche Umsetzung des Ganztags zu entwickeln und dessen Angebotsqualität bewertbar zu machen. Daran anknüpfend wirft er die Frage auf: „Was ist Lernen, Fördern, Bildung, Erziehung, Betreuung?“ und beantwortet sie knapp zusammengefasst folgendermaßen:

  • Bildung kann als ein Prozess der aktiven und freiwilligen Aneignung bezeichnet werden, weshalb Bildung auch im Gegensatz zum schulischen Lernen steht.
  • Informelle, non-formale und formelle Lernprozesse drücke sich durch Verhaltensveränderungen aufgrund von Erfahrungen aus.
  • Erziehung erfolgt im Rahmen einer absichtsvollen Anregung, um die Werte- und Normvermittlung zur Entwicklung eines verantwortungsvollen Erwachsenenlebens anzuregen.
  • Bei der Betreuung geht es vorrangig um die Sicherstellung der Grundbedürfnisse (Sicherung, Bindung, Geborgenheit).
  • Förderung dagegen kann als zielorientierte, pädagogisch intendierte Intervention beschrieben werden.

Hieran anknüpfend merkte Herr Sauerwein an, dass die verschiedenen im Ganztag tätigen Professionen diese Begriffe unterschiedlich definieren und sich hieraus auch unterschiedliche Herangehensweisen ergeben. Um einen qualitativ guten Ganztag umzusetzen, müssen diese Diskussionen um entsprechende Definitionen auf unterschiedlichen Ebenen geführt werden, z.B. auf Landesebene, kommunaler Ebene und letztendlich auf der Praxisebene.

Als aktuelle und zukünftige Herausforderungen des Ganztages benannte er außerdem u.a. die hohe Anzahl nicht pädagogisch qualifizierten Personals, den dazugehörigen extremen Personalmangel, die fehlende Einbindung pädagogischer Fragen zum Ganztag in Ausbildungs- und Studiengänge, sowie die Gefahr der Stigmatisierung von Förderangeboten. Als Herausforderungen des Ganztages, die Schulen darüber hinaus bereichern können, beschrieb er die potentielle Einbindung des umliegenden Sozialraumes von Schulen in den Ganztag (außerschulische Lernorte), multiprofessionelle Kooperationen zur Ausgestaltung des Angebotes sowie die Berücksichtigung der Kinderperspektive auf den Ganztag. Unter Beachtung der kindlichen Bedürfnisse im Ganztag, u.a. authentische (Natur-) Erlebnisse, Rückzugsmöglichkeiten, schmackhaftes Mittagessen ohne Zwang, nachvollziehbare Regeln und Raum für Beziehungen, habe der Ganztag viel Potential. So kann der Ganztag laut Sauerwein deutlich mehr als eine Erweiterung des Unterrichtes sein, wenn fachlich qualifiziertes Personal entsprechend ihrer individuellen Expertisen eingesetzt wird und ein erweitertes Bildungsverständnis vorherrscht – dann kann Ganztag den Schüler*innen eine Einheit von (fachlicher) Ausbildung und Identitätsbildung ermöglichen.

Im Anschluss an den Hauptvortrag von Herrn Sauerwein folgte die Vertiefung ausgewählter Aspekte der Ganztagsbildung im Primarbereich in einzelnen Themenforen. Die Themenforen beinhalteten dabei immer konkrete Praxisimpulse aus dem Projektgeschehen der DialOGStandorte sowie Raum für Austausch über kommunale- und Professionsgrenzen hinweg.

Zur Auswahl standen fünf Workshops zu den folgenden Themen:


Bildung findet vor Ort, in den Quartieren und Sozialräumen der Kinder und Jugendlichen statt. Bildung ist somit eine zentrale Kooperations- und Vernetzungsaufgabe der Kommunen, denn die kommunale Ebene ist die entscheidende Instanz zur qualitativen Ausgestaltung von Bildungsinstitutionen. Im Kontext der offenen Ganztagsschule in NRW erhöht sich die Abstimmungs- und Kooperationskomplexität durch eine potenziell höhere Anzahl an verantwortlichen Akteuren. Die örtliche Jugendhilfe, Schulamt und Schulverwaltung bilden in dieser Hinsicht eine zentrale Verantwortungsgemeinschaft die gemeinsam mit den Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe, Verbänden und vielfältigen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft die Bedingungen des Aufwachsens junger Menschen maßgeblich mitprägen.

Doch wie kann diese gemeinschaftliche Aufgabe bewältigt werden? Im Themenforum „Kommunale Steuerung des (offenen)Ganztags in gemeinsamer Verantwortung von Jugendhilfe und Schule“stand folglich die Frage im Zentrum, wie die unterschiedlichsten kommunalenAkteur*innen ihre Kommunikations- und Kooperationsstrukturen gestalten können, um ihre gemeinsamePlanungs- und Steuerungsverantwortung für die offene Ganztagsgrundschule bestmöglich wahrzunehmen. Welche Modi, Strukturen oder Formate sind in der Planung oder haben sich bereits bewährt und sind sie ggfs. übertragbar?

Diesen und weitere Fragen zur kommunalen Steuerung widmeten sich die Teilnehmenden gemeinsam mit den Praxisvertreter*innen aus Dortmund und Gladbeck. Das als moderierter, dialogischer Fachaustausch konzipierte Themenforum lud die Teilnehmenden zur aktiven Teilnahme ein.

Als einen ersten Diskussionsimpuls berichteten Sigrid Rahmann-Peters und Kai Averbeck (Stadt Dortmund - Schulunterstützende Bildungsangebote/ Koordination Offene Ganztagsschule) sowie Julia-Susan Winkel (Amt für Bildung und Erziehung - Schulentwicklungsplanung-/ Organisation & Ganztagsschulen der Stadt Gladbeck) und Bernd Nelskamp (Jugendhilfeplaner der Stadt Gladbeck) über das aktuelle „Modell“ oder die aktuelle kommunale Struktur zur Steuerung und Planung der offenen Ganztagsgrundschule in Dortmund respektive Gladbeck.

Gerade auch mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen, die die kommunale Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetztes mit sich bringen, hat sich Dortmund schon frühzeitig auf dem Weg gemacht die kommunalen Entscheidungs-, Steuerungs- und Planungsstrukturen neu aufzustellen. Auf der (fach)politischen Ebene haben sich alle relevanten Akteure zu einem Steuerungskreis OGS zusammengeschlossen, dem jeweils die drei thematischen Arbeitsgremien „(päd.) Räume“; „Personal - Akquise/Bindung/Qualifizierung/“ sowie „Qualitätsdimensionen“ zugeordnet sind. In allen drei thematischen Arbeitsgremien sind relevante Vertreter*innen aus Praxis sowie unterschiedlichste kommunale Verwaltungen vertreten. Derzeit befindet sich die neue Struktur noch im Aufbau, Prozesse müssen noch ausgelotet werden und sich einspielen. Wichtig ist jedoch der Tatbestand, dass das Thema Ausbau und Qualitätsentwicklung im Feld der Offenen Ganztagsgrundschule fachpolitisch fest verankert und mit einer hohen bildungspolitischen Bedeutung für die Kommune und somit für die Kinder und deren Familienversehen wurde.

Die ungleich kleinere und kreisangehörige Kommune Gladbeck pflegt seit vielen Jahren eine verlässliche Kooperation der maßgeblich verantwortlichen kommunalen Akteure. Getreu dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ arbeiten die kommunalen Systeme Jugendhilfe und Schule mit freien Trägern der Jugendhilfe und weiteren relevanten Akteuren im „Kommunalen Qualitätszirkel“ vertrauens- und wirkungsvoll zusammen. Qualitätsentwicklung in der OGS wird in Gladbeck in der Verantwortungsgemeinschaft möglichst aller relevanten Akteure bearbeitet. 

Die Diskussion im Plenum zeigte aber auch, dass, obgleich sich Gladbeck und Dortmund bereits frühzeitig auf dem Weg gemacht haben, die Kooperation zwischen Jugendhilfe und dem kommunalen Schulsystem auf eine vertrauensvolle Basis zu stellen, mit Blick auf die Realisierung des Rechtsanspruchs auf Förderung und Betreuung von Kindern im Grundschulalter im Schuljahr 2026/27 noch viele Aufgaben zu bewältigen bleiben. Gemeinsam geteiltes Fazit der Diskussionen war aber auch, und dies ist als positives Signal hervorzuheben, dass trotz der vielfältigen Herausforderungen und Hürden, der anstehende Rechtsanspruch ungleich mehr Chancen bietet, zukünftig eine qualitativ gute Basis für eine kooperative, kindorientierte Ganztagsbildung und somit pädagogisch hochwertige Arbeit in den offenen Ganztagrundschulen in NRW zu schaffen.

Im Workshop „Multiprofessionelle Kooperation an offenen Ganztagsschulen“ stellten Dirk Sälzer (Schulleiter) und Dorothea Roggenbuck (OGS-Leitung) die gelebte Praxis der Grundschule an der Maarbrücke in Bochum vor. Tanja Knopp (Schulleiterin) und Christian Töpfer (OGS-Leitung) berichteten von entsprechenden Ansätzen am Familiengrundschulzentrum Getrudisschule in Bochum. Einige Konzepte, die sich in den Schulen bewährt haben, werden nachfolgend aufgeführt, ohne die stetige Zuordnung zur jeweiligen Schule.


Als grundlegendes Ziel der beiden Schulen lässt sich die multiprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe benennen. So ist es unumgänglich, alle Mitarbeiter*innen der Schule in ihrer individuellen Wertigkeit zu schätzen und zu stärken. Es wurde in den Erzählungen deutlich, dass z.B. die Mitarbeit der Lehrkräfte im Nachmittagsbereich eine große Bereicherung darstellt. Diese Mitarbeit kann in unterschiedlichen Formen geschehen. Einerseits können Lehrkräfte im Nachmittagsbereich hospitieren (z.T. verpflichtend), um einen Einblick in dortige Abläufe zu bekommen. Andererseits können sie dort auch AGs selbst anbieten, um eine langfristige Einbindung zu gewährleisten, welche auch den Interessen der Lehrkräfte entspricht. Sollten die Mitarbeiter*innen aus dem Nachmittagsbereich nicht sowieso in den Vormittag eingebunden sein, bieten sich auch hier Hospitationen an. Diese wechselseitige Einbindung hilft dabei, bestehende Machtgefälle abzubauen und ein Verständnis für die unterschiedlichen Aufgabenfelder zu schaffen.
Darüber hinaus hat es sich bewährt, dass OGS-Leitungen und Schulleitungen jeden Morgen mit einer kurzen Absprache beginnen, um wesentliche organisatorische Dinge zu klären. Zudem hat sich ein Jour-Fixe für das erweiterte Schulleitungsteam als hilfreich erwiesen, um keine Kommunikationslücken entstehen zu lassen. Die Vortragenden berichteten ebenso von gemeinsamen Vorbereitungen von Elterngesprächen durch OGS- & Lehrkräfte sowie von multiprofessionellen Jahrgangsteams, die gemeinsam für die Schüler*innen verantwortlich sind. Auch die Schulsozialarbeit wird als fester Bestandteil des Teams angesehen, wirkt im Nachmittagsbereich mit und nimmt an pädagogischen Tagen, Lehrerkonferenzen usw. teil.

Über diese formelle Verzahnung hinaus, hat sich die Öffnung des „Lehrerzimmers“ zu einem „Personalraum“ als sinnvoll erwiesen, um (Kommunikations-)Barrieren zwischen den Professionen am Standort abzubauen. Teamkonferenzen finden mittlerweile vorwiegend digital statt, u.a. um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Die großzügige Weitergabe von Informationen (z.B. E-Mails) wurde als hilfreich beschrieben, d.h. alle Kolleg*innen erhalten alle Informationen, auch wenn diese sie nicht direkt betreffen. Dadurch sind alle Kolleg*innen auf dem gleichen Informationsstand und hierdurch auch stärker involviert. Des Weiteren kann es helfen, diese Informationen in Papierform in Fächern im Personalraum zur Verfügung zu stellen, sodass die gemeinsame Anwesenheit im Personalraum den multiprofessionellen Austausch ganz natürlich entstehen lässt.
Zusätzlich wurde berichtet, dass die Kooperation mit Eltern sowie die individuelle Förderung der Schüler*innen u.a. dadurch gut gelingt, dass mehrsprachiges Personal im Unterricht und im Nachmittagsbereich eingesetzt wird. Eine gemeinsame, multiprofessionelle Erarbeitung der Curricula verbessert zudem die Qualität der Bildung: Im Nachmittagsbereich werden Lerninhalte aus dem Vormittagsbereich aufgenommen und durch freies Spiel, erweiterte Lernmaterialien, Projekte etc. vertieft. Die Schule wird so zu einer ganztägigen Bildungslandschaft.
Auch ein gemeinsames, kostenloses, Frühstücksangebot durch den Verein Brotzeit e.V. ermöglicht eine Verbesserung des Schulklimas und der multiprofessionellen Kooperationen, denn hier können alle Angestellten der Schule sowie Schüler*innen zu einem gemeinsamen Start in den Tag zusammenkommen.
Doch auch die vortragenden Schul- & OGS-Leitungsteams berichteten von einigen Hürden und Problemstellungen an den offenen Ganztagsgrundschulen. So reichen die Räumlichkeiten der Schulen oft nicht aus, um allen Kindern eine Übermittagsbetreuung zu gewährleisten. Darüber hinaus erschwert der akute Lehrer*innen- sowie Fachkräftemangel die Umsetzung einiger Vorhaben. Die steigenden Kosten von Lebensmitteln bereiten den Schulen zusätzliche Sorgen. Auch die Tatsache, dass weder in der Lehramts- noch in der Erzieher*innenausbildung Fragen des offenen Ganztages ausreichend thematisiert werden, beklagen die Schulen ebenso.

Als Fazit des Themenforums mag der Leitsatz von Tanja Knopp im Gedächtnis bleiben: „Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen“. Es war keineswegs immer leicht, die Veränderungen hin zu einer stärkeren Verzahnung der Professionen, anzustoßen und zu begleiten, da man häufig mit widrigen Umständen und teilweise auch Widerständen konfrontiert war. Da sie und ihr Team diese multiprofessionelle Verzahnung aber als essenziell erachteten, wurden immer Wege gefunden, um diese umzusetzen. Dazugehörig wurde auch die Notwendigkeit der kooperativen Führung von OGS- und Schulleitung zur gelingenden Umsetzung von multiprofessionellen Kooperationen deutlich: Man muss mit gutem Beispiel vorangehen und alle Angestellten der offenen Ganztagsgrundschule mitnehmen. Damit dies auch langfristig gelingt, ist eine gegenseitige Anerkennung der professionsabhängigen Aufträge unumgänglich. Es braucht ein Schulklima von gegenseitigem Verständnis, dem Willen, miteinander zu arbeiten und sich zu ergänzen, ohne die Angst, ersetzt zu werden, damit multiprofessionelle Kooperationen im offenen Ganztag gelingen.

Ansprechend gestaltete Räumlichkeiten und Flächen sind – als dritter Pädagoge – essenziell für einen gelingenden Ganztag, da sie kindliche Bildungsprozesse unterstützen und unterschiedliche Zugänge zum Lernen ermöglichen (können). Aber wie kann der oftmals knappe Raumbestand in offenen Ganztagsgrundschulen multifunktional und unter pädagogischen Gesichtspunkten (re)organisiert, gestaltet und genutzt werden? Vor dieser Frage stehen viele Schulen bereits seit Jahren. Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab 2026 setzt Kommunen und Schulstandorte unter Druck, schnelle und kostengünstige Lösungen zu finden. Im Rahmen des Themenforums stellten zwei Schulstandorte aus dem Projektgeschehen der DialOGStandorte ihr jeweiliges Raumkonzept vor. Ziel war es, den Teilnehmenden Impulse mitzugeben und den Austausch untereinander zu fördern.

Den Anfang machte das OGS-Leitungsteam der Henry-van-de-Velde Schule aus Hagen. Aufgrund verschiedener Störfaktoren wurde in einem partizipativen Schulentwicklungsprozess ein neues Raumkonzept entwickelt. Der Konzeption ging voraus, dass in den geschlossenen Gruppen ein hoher Lärmpegel herrschte, die Gestaltung der Räume den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht wurde und in allen Räumen ähnliches Spielzeug verteilt war, ein immer stärkerer Platzmangel und insgesamt unzufriedenes Personal. Um dem zu begegnen wurde ein offenes Konzept mit Themenräumen angestrebt, welches Frau Kasalik und Frau Petruck im Rahmen ihres Inputs vorstellten. Bei der Entwicklung der Themenräume wurde sich an den Bildungsgrundsätzen NRW sowie an den geäußerten Bedarfen der Kinder orientiert. Die Zuordnung der Fachkräfte zu den Themenräumen erfolgte nach deren jeweiligen Interessen, was zusätzlich eine neue Durchmischung in der Teamzusammensetzung zur Folge hatte und somit auch zur Teamentwicklung im Sinne einer multiprofessionellen Verzahnung beigetragen hat. Frau Petruck und Frau Kasalik berichteten, dass der Lärmpegel abgenommen und sich sowohl die Stimmung als auch die Raumknappheit entspannt hat.

An der Freiligrathschule in Hamm wurde aufgrund verschiedener Impulse, unter anderem aus dem Projekt DialOGStandorte, entschieden, eine anstehende Renovierung des Schulgebäudes dafür zu nutzen, die Räume neu zu denken und ein neues Raumkonzept zu entwickeln. Unter dem Motto „Vom Klassenraum zum klasse Raum – Lehrer*innen und pädagogische Mitarbeiter*innen gemeinsam“ wurden die Räume neu gedacht und ausgestattet. Ziel war es, dass keine Unterscheidung mehr zwischen Vor- und Nachmittag gemacht wird. Im Idealfall sollen die Schüler*innen nicht merken, ab wann die OGS-Zeit beginnt. Frau Kipper (stellv. Schulleitung) und Frau Keil (OGS-Leitung) berichteten in ihrem Vortrag anschaulich, wie mit der Raumentwicklung auch ein Schul- und Teamentwicklungsprozess einherging. Ebenso berichteten sie von der Notwendigkeit, die Schüler*innen einzubeziehen. An ihrem Standort gelang dies u.a. im Rahmen des wöchentlich stattfindenden Kinderparlaments. Das Ergebnis kann sich, aus Sicht der Referierenden, sehen lassen: durch die gemeinsame Raumnutzung, multifunktional nutzbare Möbel und einen gemeinsamen Mitarbeiterraum, hat sich neben einem stärkeren Wir-Gefühl am Schulstandort ebenfalls eine Entspannung bei der Raumknappheit eingestellt.

Im Rahmen der Anschlussdiskussion im Themenforum 3 wurde nochmal deutlich, dass Raumproblematiken oft nicht durch Um- und Neubauten begegnet werden kann, sondern dass es häufig schon ausreicht, sich über das bestehende Raum- und Flächenangebot und eine entsprechend andere Nutzung im multiprofessionellen Team Gedanken zu machen. Hierdurch können oftmals neue Potentiale erschlossen werden. Hierbei ist auch die Nutzung von Fluren für pädagogische Zwecke und damit verbunden das Thema des Brandschutzes relevant. Es geht bei Raum(um)gestaltungsprozessen immer darum, Kompromisse zu finden und einen inhaltich-fachlichen Diskurs im multiprofessionellen Team zu führen: über Kooperationen der verschiedenen Professionen am Standort Schule, über Verwendungszwecke und inhaltliche Angebotsgestaltung des Ganztags und auch um die Öffnung von Schule in den Sozialraum zur Kooperation mit Akteuren im Stadtteil. An beiden vorgestellten Schulstandorten hat es, bis zum heutigen Raumkonzept, einige Zeit und Aushandlungsprozesse auf verschiedenen Ebenen gebraucht. Abschließend wurde außerdem mehrfach betont, dass insbesondere die Perspektive der Schüler*innen bei der Raumentwicklung nicht unbeachtet bleiben darf, weshalb sie aktiv beteiligt und im gesamten Prozess miteinbezogen werden müssen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Raumkonzept den Bedürfnissen derjenigen entspricht, die den Großteil des Tages in der Ganztagsschule verbringen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thema Raum nie losgelöst von den Themen Schulentwicklung, Kooperation (mit allen relevanten Akteuren), Schaffung von Lebens- und Lernräumen, Sozialraumorientierung und auch Partizipation bearbeitet werden kann.


Präsentation Freiligrathschule

Im Themenforum „Partizipation an offenen Ganztagsgrundschulen“ wurden Ansätze und Möglichkeiten der Beteiligung von Kindern präsentiert und diskutiert.

Zu Beginn wurde das Thema zunächst mit dem „Beteiligungsdreieck“ theoretisch gerahmt. Demnach können Partizipationsprozesse von Heranwachsenden in Institutionen, wie beispielsweise in der offenen Ganztagsgrundschule nur gelingen, wenn es hierfür entsprechende Strukturen gibt (z.B. ein Kinderparlament), altersgerechte Methoden zur Beteiligung verwendet werden und es eine entsprechende, partizipationsförderliche Haltung aufseiten der Erwachsenen gibt, welche respektvoll zutrauend, hörend und fragend, unterstützend und zurückhaltend ist.[1]

Hieran anknüpfend präsentierten mit Frau Zimmermann von der Graf-Konrad-Grundschule aus Dortmund und Frau Pfützner von der Hellwegschule aus Hamm zwei Praxisbeispiele aus dem Projektgeschehen der DialOGStandorte, wie Partizipation an offenen Ganztagsgrundschulen praxisnah umgesetzt und gelebt werden kann.

An der Hellwegschule wird die Beteiligung der Kinder über unterschiedlichste Formate und Ansätze realisiert. Dabei beginnt Partizipation für die Hellwegschule bereits im Kleinen: Beispielsweise das Streitschlichter*innenprogramm (Kinder werden zu Streichschlichter*innen ausgebildet), Schülerpatenschaften und bewegliche Spielmöglichkeiten auf dem Schulgelände sind Aspekte des Partizipationskonzeptes, weil sie die Kinder zu aktiven Gestaltern im Schulleben machen und bei ihrer Entwicklung zu selbstständigen verantwortungsbewussten Individuen unterstützen. Darüber hinaus gibt es aber auch formale Gremien der Mitgestaltung. Es gibt beispielsweise ein Schülerparlament, welches sich aus Kindern aller Jahrgänge sowie OGS und nicht OGS-Kindern zusammensetzt. Hier werden Probleme und Herausforderungen des Schulalltags zunächst gesammelt, dann diskutiert und entsprechende Lösungsmöglichkeiten und Ideen erarbeitet. Ein weiteres Beteiligungsformat ist der Morgenkreis, welcher wöchentlich in allen Klassen stattfindet. Hier wird beispielsweise die Wochenplanung vorgenommen, Konflikte werden geklärt, es wird sich über persönliche und gesellschaftliche Ereignisse ausgetauscht oder über die Ämterverteilung. Der Morgenkreis wird dabei selbstständig von den Kindern organisiert und durchgeführt – mit wechselnden Aufgaben und einer festen Struktur.

Frau Zimmermann fokussierte in ihrem anschließenden Praxisimpuls auf den Aspekt der Haltung der Fachkräfte. Den Fachkräften an der Graf-Konrad-Grundschule ist es wichtig, dass die Kinder angstfrei und eigenaktiv mitgestalten können: Z.B. bei der Gestaltung ihrer Unterrichtszeit und der freien Zeit am Nachmittag, bei der Raumgestaltung und bei der Festlegung von Regeln des gemeinsamen Miteinanders. Man möchte die Kinder schrittweise - mit Eintritt in die Schule - an diese Fähigkeiten heranführen.

Grundlagen der pädagogischen Arbeit des multiprofessionellen Teams sind dabei einerseits das gemeinsame pädagogischen Leitbild, welches sowohl für die Fachkräfte, aber auch für die Kinder und Eltern gilt. Andererseits eine regelmäßige Selbstreflexion der Fachkräfte: Wie ist meine eigene Haltung bezogen auf die Beteiligung von Kindern? Ist die Teilhabe von Schüler*innen wirklich gewünscht und bin ich in diesem Zuge auch bereit, Entscheidungshoheiten abzugeben? Die Fachkräfte sollten sich außerdem als Vorbilder für die Kinder betrachten. D.h. was diese von den Kindern einfordern, müssen sie auch selbst vorleben und geben können: Wer von den Kindern verlangt, dass sie zuhören, sollte auch selbst dazu bereit sein, den Kindern zuzuhören.

Als Gelingensbedingung für eine partizipationsförderliche Haltung im multiprof. Team nannte Frau Zimmermann zum einen, dass diese immer wieder Gegenstand von Qualitätsentwicklungsprozessen am Standort ist. Beispielsweise wird im Rahmen pädagogischer Ganztagsfortbildungen immer wieder thematisiert und hinterfragt, was diesbezüglich gut klappt, was den Kolleg*innen noch schwer fällt und welche Unterstützungsangebote ggf. benötigt werden. Zum anderen sollte dem pädagogischen Personal die Möglichkeit gegeben werden, sich auszuprobieren. Hierzu wurde beispielsweise einmal pro Woche eine Lernreise verbindlich im Stundenplan verankert. Hier können neue Beteiligungsformate mit Kindern ausprobiert und neue Rollen erprobt werden. Weitere Gelingensfaktoren, die eine partizipationsförderliche Haltung begünstigen, sind beispielsweise das Ermöglichen von internen und externen Hospitationen und dem multiprofessionellen Team Raum für einen Austausch über entsprechende Erfahrungen mit Partizipation zu ermöglichen.

Als Stolpersteine für die Beteiligung von Kindern benannte Frau Zimmermann vor allem die gegenwärtige Zeit und damit einhergehend der Personalmangel, neue Herausforderungen im Zuge der Pandemie und gestresstes Schulpersonal. Dieses „Arbeiten am Limit“ weckt den Ruf nach einfachen, schnellen Lösungen, was der Beteiligung von Kindern im Wege steht, da Beteiligungsprozesse – anders als alleinige Entscheidungen - in der Regel Zeit brauchen und von allen Seiten eine gewisse Kompromissbereitschaft verlangen.

In der anschließenden Diskussion wurde problematisiert, dass das Thema Partizipation im Alltagsgeschehen von offenen Ganztagsgrundschulen oftmals als ‚nice to have‘ betrachtet wird und im stressigen Alltagsgeschehen oft vernachlässigt wird bzw. andere Themen als vorrangig betrachtet werden. Dies gilt insbesondere in der heutigen, durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen geprägten Zeit. Die Beteiligung von Kindern sollte jedoch als zentral betrachtet werden, da sie maßgeblich zu einem kindgerechteren Ganztag beiträgt. Durch die Beteiligung von Kindern bei der Raum- und Flächengestaltung, wird beispielsweise die Identifikation mit der offenen Ganztagsgrundschule erhöht, was zu einer höheren Wertschätzung und weniger Vandalismus führt. Durch die Beteiligung an der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen (z.B. in puncto Inhalte und Methoden) wird die Motivation fürs Lernen erhöht. Hierbei wurde jedoch auch deutlich, dass die Beteiligung von Kindern viele Möglichkeiten birgt, jedoch auch Grenzen hat, in dem Sinne, dass Kinder nicht überall mitentscheiden können/ sollten. Es gibt beispielsweise feste Lehrpläne, die erfüllt werden müssen, sodass Lerninhalte nicht im luftleeren Raum entschieden werden können.

Weiterhin wurde auch kritisch angemerkt, dass es für die Gestaltung von Partizipationsprozessen Zeit und Personal braucht. Z.B. muss ein Kinderparlament vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden, Aushandlungsprozesse benötigen – anders als Alleinentscheidungen – Zeit. Die Bedingungen in der Praxis (Stichwort Personalknappheit) laufen dem oftmals zuwider. Jedoch waren sich die Teilnehmenden einig, dass Kinder stärker als aktive Gestalter im Schulleben betrachtet und einbezogen werden sollten. Dadurch, dass die Kinder Aufgaben und Verantwortung im Schulleben übernehmen, können andere Professionen auch entlastet werden. Werden Viertklässler beispielsweise zu Streitschlichter*innen oder Schüler*innenpaten ausgebildet, übernehmen sie Verantwortung für eine gelingendes Zusammenleben in der Ganztagsschulgemeinschaft und entlasten so andere Professionen.


[1] Nähere Informationen zum Beteiligungsdreieck unter: https://www.starkimland.de/beteiligung-von-kindern-und-jugendlichen-in-kommunalen-prozessen/


Präsentation Partizipation

Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse weisen auf die hohe Bedeutung der Eltern bzw. des familiären Systems für den Bildungserfolg der Kinder hin. Im Sinne einer gelingenden Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist es wichtig, Eltern einen niedrigschwelligen Zugang zu der offenen Ganztagsgrundschule und einen anlasslosen Austausch über die Bildungslaufbahn der Kinder zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wurden in Themenforum 5 über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Eltern in offenen Ganztagsgrundschulen diskutiert.

Fr. Sandkühler-Daniel, Schulleitung der Berghofer-Grundschule in Dortmund, berichtete in einem Praxisimpuls von den Erfahrungen und Ansätzen an ihrem Standort. Zur Weiterentwicklung der OGS wurde die „AG Dialog“ gegründet, an der auch Eltern teilnehmen und somit ihre Themen und Anliegen direkt in das Gremium einbringen können. Als ein Resultat der Zusammenarbeit in der AG, wurde beispielsweise ein Elterncafé an der Berghofer-Grundschule ins Leben gerufen. Dieses findet vierteljährlich vor den Ferien statt. Hier können sich Eltern gegenseitig über Probleme des Alltags austauschen, sich informieren und ggf. auch beraten werden. Außerdem werden hier stets die Interessen der Eltern abgefragt, um auf dieser Grundlage das nächste Elterncafé und weitere Angebote für Eltern zu planen.

Fr. Sandkühler-Daniel erläuterte in ihrer Präsentation weiterhin, wie sich der Planungsprozess für die AG Dialog gestaltete und auf welche Art und Weise auch Kinder an der Weiterentwicklung der OGS beteiligt werden können. In der anschließenden Diskussion wurden von den Teilnehmenden Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit bzw. Kontaktaufnahme zu Eltern benannt. Unter anderem wurde diskutiert, wie das Nähe-Distanz-Verhältnis zu Eltern gestaltet werden kann und welche Möglichkeiten es gibt, Eltern zu erreichen, die einen weiten Anfahrtsweg zur Ganztagsschule haben.

Als Lösungsansätze für die Verbesserung der Zusammenarbeit mit Eltern wurden verschiedene Wege und Formate benannt:

  • Eltern-Kind-Sprechtag
  • Elterncafé
  • Kinderkonferenz mit Elternteil
  • Digitale Tools zum Austausch und zur Kontaktaufnahme nutzen
  • Einladung zu Schulfesten, Eltern als Partner wahrnehmen
  • Konzept des Familiengrundschulzentrums

Präsentation Zusammenarbeit mit Eltern


Im Anschluss an die Themenforen und eine Mittagspause fand eine Abschlussrunde zum Thema „Quo vadis, OGS? Quo vadis, DialOGStandorte?“ im Plenum statt. An der Diskussion nahmen Dr. Markus Sauerwein (Hochschule Nordhausen), Prof. Dr. Sibylle Stöbe-Blossey (Universität Duisburg-Essen), Dr. Petra Strähle (Robert Bosch Stiftung), Viktoria Latz (Ruhr Futur gGmbH) und Elena Angerstein (Ruhr Futur gGmbH) teil. Diese hatten als ‚Critical Friends‘ im Vorfeld den Workshops beigewohnt und den Auftrag, anknüpfend an die Themenforen, Impulse für die Weiterentwicklung von Ganztagsschulen im Allgemeinen sowie für die weitere Projektgestaltung im Speziellen zu geben. Im Rahmen der Gesprächsrunde wurde betont, dass der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz im Primarbereich, trotz aller Herausforderungen, als Chance zur Entwicklung von Qualitätsstandards genutzt werden kann, sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Dabei darf nicht rein auf Versorgungszahlen geblickt werden. Im Fokus müsse die Stärkung der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit sowie der Teilhabemöglichkeiten stehen. Außerdem wurde ein Thema den ganzen Tag über immer wieder betont: Die Eltern und Kinder einzubeziehen ist notwendig und enorm wichtig für ein kindorientiertes und qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot.


Fotos der Veranstaltung