Abschlussveranstaltung im Projekt: "Wir wollen bewegen, statt bewegt werden"
Am 25.09.2024 fand die Abschlussveranstaltung im Projekt DialOGStandorte statt. In diesem Rahmen wurde die fünfjährige Projektlaufzeit sowie die Ergebnisse und Arbeitsprozesse in den fünf projektteilnehmenden Kommunen präsentiert und gewürdigt. Neben diesem Blick zurück, wurde am Nachmittag der Blick nach vorne gerichtet in Form von Impulsen für die Ganztagsschulentwicklung. Maia Areerasd, Vertreterin des Kinder- und Jugendrates NRW stellte dabei die Perspektive der Heranwachsenden auf den Ganztag in den Fokus, während Cordula Heckmann, ehemalige Leitung der Rütli-Schule Berlin, ihr Augenmerk auf die Themen Schul- und Teamentwicklung richtete. Durch die Veranstaltung führte Kirsten Althoff vom Institut für Soziale Arbeit (ISA) als Tagesmoderatorin.
Die Teilnehmenden wurden durch Laura Scharm, Projektmanagerin beim Projektförderer Stiftung Mercator, begrüßt. Die Stiftung fördert das Projekt DialOGStandorte seit 2019. Ziel der Stiftung ist es, die Teilhabe junger Menschen in verschiedenen Lebensbereichen zu verbessern. Dazu sollte im Rahmen des Projektes die Perspektive der Kinder in den Mittelpunkt gerückt werden anstelle des Denkens in Zuständigkeiten und Ressorts. Ein besonderer Fokus der Stiftung liegt hierbei auf dem Ruhrgebiet. Dieses ist der Hauptsitz der Stiftung und hier zeigen sich die Herausforderungen, die an das Bildungssystem gestellt werden, wie in einem Brennglas. Aus diesem Grund wurden für das Projekt ausschließlich Ruhrgebietskommunen ausgewählt. Dabei fand das Projekt teils unter schwierigen Bedingungen statt: Nicht nur die Pandemie hat die Zusammenarbeit erschwert, sondern auch der hiervon noch verschärfte Personalmangel und knappe kommunale Kassen.
Aus diesem Grund dankte Frau Scharm in erster Linie den projektteilnehmenden Kommunen, weil diese sich, trotz dieser Umstände, auf das Projekt und den Prozess eingelassen haben. Ebenso dankte dem Projektteam des ISA sowie dem Evaluationsteam des Instituts für Arbeit und Qualifikation um Prof. Dr. Stöbe-Blossey sowie dem langjährigen Projektpartner RuhrFutur.
Im Anschluss blickte André Altermann, Leitung des Projekts DialOGStandorte im ISA, aus seiner subjektiven Sicht auf das Projektgeschehen zurück. Er betonte zunächst, dass im Projekt stets die Praxisentwicklung im Vordergrund stand. Die Konzeption erfolgte jedoch am wissenschaftlichen „Reißbrett“. Da das Projektdesign zunächst sehr komplex ausfiel, musste dieses zu Beginn an die Anforderungen der Praxis angepasst bzw. vereinfacht werden. So wurden beispielsweise bei den kommunalen Austauschtreffen die Akteursebenen Praxis und Steuerung nicht voneinander getrennt. Stattdessen wurde gemeinsam gearbeitet, damit man zusammen auf Herausforderungen blicken und einen Wissenstransfer gewährleisten konnte.
Nach diesen Anpassungsmaßnahmen zu Beginn war man bereit, endlich loszulegen. Jedoch wurde man von der Corona-Pandemie kalt erwischt. Dies vor allem aus dem Grund, da sich das Projekt zu Beginn des Jahres 2020 noch in der Anfangsphase befand und sich die Akteur*innen zunächst kennenlernen mussten. Die digitale Zusammenarbeit stellte in einem Projekt, in dem der formelle und informelle Austausch sowie das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen unterschiedlicher Perspektiven im Fokus steht, eine große Herausforderung dar. Entsprechend waren alle erleichtert, als die kommunalen und überkommunalen Treffen wieder in Präsenz stattfinden konnten. Insgesamt konnte über die Dauer der Projektlaufzeit ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen und zu den Teilnehmenden aufgebaut werden. Dieses war Bedingung für eine große wechselseitige Offenheit und ermöglichte es, die Formate und Themen an die jeweiligen Bedarfe der Projektteilnehmenden anzupassen.
Zum Abschluss formulierte Herr Altermann Learnings und sein Resümee der 5-jährigen Projektlaufzeit. Vor allem das wechselseitige voneinander Lernen sei ein großer Gewinn gewesen. Dies sowohl bezogen auf das ebenenübergreifende Lernen innerhalb der Kommunen (Praxis - Steuerung), aber auch auf das Lernen der Kommunen voneinander.
Eine wichtige Bedingung für das Gelingen des Projektes war es hierbei, dass es in den projektteilnehmenden Kommunen schon gewachsene Austauschstrukturen und Vertrauensverhältnisse gab, auf denen man aufbauen konnte. Beispielsweise kannten sich viele der Akteur*innen innerhalb der Kommunen schon von kommunalen Qualitätszirkeln oder ähnlichen Gremien. Diese Strukturen seien auch für den anstehenden Projekttransfer sehr wichtig. Auch wenn das Projekt - alles in allem und trotz aller Widrigkeiten - sehr erfolgreich verlaufen ist, gibt es ein paar Faktoren, die im Rückblick wünschenswert im Sinne eines noch erfolgreicheren Projektverlaufes gewesen wären. Hier sei zuallererst eine breitere Basis der Projektteilnehmer*innenschaft zu benennen. Bezogen auf die beteiligten OGS wäre es wünschenswert gewesen, neben den beiden Leitungen, weitere Akteure wie beispielsweise die Schulsozialarbeit, einzubeziehen. Aber auch im Hinblick auf die Vertreter*innen der Kommunalverwaltungen wäre eine weiträumigere Einbeziehung verschiedener Ämter und auch von kommunalen Entscheidungsträger*innen, sinnvoll gewesen. Aufgrund begrenzter Projektressourcen und bestehender Herausforderungen vor Ort, war dies jedoch nicht in Gänze möglich.
Um zentrale Erkenntnisse aus dem Projekt zu generieren und festzuhalten, wurde dieses extern evaluiert. Die Evaluation wurde vom Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen unter der Federführung von Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey durchgeführt. Ausgewählte Ergebnisse aus dieser Evaluation wurden im Rahmen der Veranstaltung von Frau Stöbe-Blossey vorgestellt.
Die Evaluation erfolgte über einen Zeitraum von 3 Jahren (01.01. 2021 – 31.08.2023), anhand von Interviews mit den Projektteilnehmenden. Detailinformationen können dem Evaluationsbericht entnommen werden.
Als einen zentralen Erfolgsfaktor für das Gelingen des Projektes benannte Frau Stöbe-Blossey die offene Projektstruktur und das flexible Reagieren des Projektteams auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden. Nicht nur das übergeordnete Projektdesign konnte so stärker an die Gegebenheiten in der Praxis angepasst werden, sondern auch der Projektverlauf innerhalb der einzelnen Kommunen. Gleichzeitig wurden Querschnittsthemen, die mehr oder weniger in allen Kommunen adressiert wurden, bespielt. Beispielsweise die Themen „Optimierung der multiprofessionellen Zusammenarbeit“, „Multifunktionale und gemeinsame Raumnutzung“ sowie „Kindorientierter Ganztag“. Bei diesen gemeinsamen Themen waren insbesondere der Austausch und das Lernen innerhalb, aber auch zwischen den Kommunen ein zentrales gewinnbringendes Element.
Ein zentrales Projektziel war die Intensivierung der Kooperation zwischen der Jugendhilfe und der Schulverwaltung auf kommunaler Ebene. Ein Befund der Evaluation ist, dass die Intensivierung dieser Zusammenarbeit insbesondere in jenen Kommunen erfolgte, in denen diese ohnehin schon fortgeschritten war. Wenn die unterschiedlichen Akteure und Ämter im Projektnetzwerk vertreten waren, konnten diese durch die regelmäßigen Treffen und den Austausch ihre Zusammenarbeit intensivieren. Wo diese Kooperationstrukturen nicht bereits vorhanden waren, konnten sie auch im Rahmen des Projekts nicht aufgebaut werden.
Diese Intensivierung bestehender Kooperationen ließ sich dabei auch gleichzeitig auf der Praxisebene der teilnehmenden OGS beobachten hinsichtlich einer stärkeren multiprofessionellen Zusammenarbeit bei der Umsetzung neuer Ansätze.
Abschließend resümierte Prof. Dr. Stöbe-Blossey Stärken, Schwächen, Risiken und Chancen des Projektes. Neben der bereits erwähnten Flexibilität des Projektes wurde das ebenen- und kommunen-übergreifende voneinander Lernen als besondere Stärke des Projektes benannt. Eine zentrale Schwäche war die bereits angedeutete Abhängigkeit des Projektgeschehens von den Gegebenheiten vor Ort. Dort, wo beispielsweise wichtige Akteure auf der kommunalen Steuerungsebene nicht einbezogen bzw. mitgedacht wurden, war die Reichweite des Projektes begrenzt. Chancen sind vor allem die im Rahmen des Projektes entwickelten Produkte, aber auch die initiieren und intensivierten Kooperationen auf unterschiedlichen Ebenen, die weitere Kooperationen nach sich ziehen. Hiermit einhergehend ist jedoch die Schwäche zu benennen, dass der Wegfall der externen Prozessbegleitung nicht eins zu eins durch die kommunalen Akteure aufgefangen werden kann. Dies gilt in Teilen für die Austausch- und Kooperationsstrukturen innerhalb der Kommune als auch für die interkommunalen Formate, die ohne externe Akteure und Impulse kaum zu realisieren sind.
Im Anschluss an den Vortrag von Frau Stöbe-Blossey fand ein Podiumsgespräch mit Vertreter*innen aus den Projektkommunen satt. Folgende Fragen wurden diskutiert
In Hamm wurde zunächst zum Thema Räume gearbeitet und ein Papier erarbeitet, welches den Abstimmungsprozess zwischen den Schulbau-Beteiligten (Ganztagsgrundschule, Schulverwaltung, Immobilienmanagement, …) regelt, um zu besseren Ergebnissen – im Sinne der Nutzer*innen – zu gelangen. Bei der Erarbeitung dieses Papiers und bei der Beschäftigung mit dem Thema Schulräume, haben der Gruppe externe Inputs von Expert*innen dabei geholfen, die Perspektive zu wechseln. Auch die individuellen räumlichen Schulentwicklungsvorhaben wurden im Netzwerk thematisiert und präsentiert, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Weiterhin wurde in Hamm ein Inspirationspapier entwickelt, welches anderen OGS-Standorten Anregungen geben soll, wie man den Ganztag kindgerechter gestalten kann.
In Dortmund lag der Fokus eher auf einzelschulischen Zielsetzungen und Entwicklungsvorhaben. Die Netzwerktreffen wurden dazu genutzt, dass sich die Tandems aus OGS- und Schulleitung zu anstehenden Entwicklungen austauschen bzw. diese planen konnten. Im Anschluss konnte man sich mit den anderen im Netzwerk vertretenen Standorten kollegial über seine Vorhaben austauschen, wechselseitig beraten und gemeinsam mit Vertreter*innen der Schulverwaltung Umsetzungsmöglichkeiten sondieren. So konnten viele kleine und große Entwicklungen an den projektteilnehmenden OGS angestoßen und realisiert werden. Hierbei wurde insbesondere zu den Themen multiprofessionelle Zusammenarbeit, gemeinsame Raumnutzung sowie Kooperation mit Eltern gearbeitet.
In Bochum wurde zunächst ein Konzept bzw. eine Praxishandreichung für die pädagogische Raumplanung, -gestaltung und -nutzung an Ganztagsgrundschulen erarbeitet. Ziel des Vorhabens war es, den OGS in Bochum Anregungen für Raumentwicklungsvorhaben zu vermitteln und bei deren Realisierung zu unterstützen. Nach Beendigung dieses Vorhabens wurde das Thema „Verpflegung im Ganztag“ adressiert und entsprechende Möglichkeiten und Modalitäten besprochen. Hintergrund war hier auch der geplante Ausbau von Ganztagsplätzen im Zuge des Rechtsanspruches und die Schaffung entsprechender Verpflegungskapazitäten. Zum Ende hin wurden die kommunalen Netzwerktreffen dazu genutzt, den ersten stadtweiten OGS-Fachtag zu konzipieren und zu planen. Übergeordnetes Thema des Fachtages war das Zusammenwachsen von Jugendhilfe und Schule am Standort OGS.
In Gladbeck hatte man es, dadurch dass es sich um eine relativ kleine kreisangehörige Stadt handelt, mit anderen Strukturen zu tun. Hierdurch kannten sich alle Personen im Projektnetzwerk bereits und man konnte relativ zügig ins inhaltliche Arbeiten kommen. Zunächst wurde zum Thema Familiengrundschulzentren gearbeitet, da einige der projektteilnehmenden OGS sich in dieser Zeit auf den Weg gemacht haben, Familiengrundschulzentren zu werden. Im Anschluss wurden die Themen „Zusammenarbeit mit Eltern“ und „Lernzeiten“ adressiert. Zu diesen beiden Themen hat man gemeinsam Checklisten entwickelt, die den OGS in Gladbeck dabei helfen sollen, ihren Stand in den jeweiligen Bereichen zu reflektieren, zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Hierbei hat man darauf geachtet, dass die Checklisten möglichst praxisnah und anwenderfreundlich gestaltet sind.
In Hagen wurde zu Beginn einerseits daran gearbeitet, die Steuerungsstrukturen zu visualisieren und sich einen Überblick zu verschaffen (Welche Gremien und Strukturen gibt es? Welchen Auftrag/ welches Ziel haben diese?) Mit den Praxisvertreter*innen wurde parallel an einem Impulspapier für die Qualitätsentwicklung in OGS gearbeitet, welches einen speziellen Fokus auf die Zusammenarbeit der Professionen richtet und entsprechende Anregungen für deren Verbesserung gibt. Da die Raumknappheit in OGS in Hagen, wie in vielen anderen Kommunen auch, ein großes Thema ist, wurde das bereits bestehende Hagener Rhythmisierungskonzept diskutiert und verschriftlicht, um weitere Standorte in der Umsetzung beraten zu können.
Zunächst mussten alle Akteure sich kennenlernen und eine gemeinsame Sprache sowie ein gemeinsames Ziel bzw. Thema gefunden werden. Dieser Prozess war unter Coronabedingungen teilweise etwas schwieriger und langwieriger, sodass gerade am Anfang viel Geduld aufgebracht werden musste. Diese Geduld galt es auch im Hinblick auf angestoßene Veränderungsprozesse mitzubringen, da diese oftmals viel Zeit und Abstimmungsschleifen in Anspruch genommen haben. Sobald ein gemeinsames Ziel bzw. Thema gefunden war, galt es die Theorie in die Praxis zu übertragen. Das Ziel bzw. der Anspruch dabei war, die vielen guten Ideen, die durch Inputs oder den gemeinsamen Austausch entstanden sind, auch in der Praxis zu verankern.
Die informellen Gespräche am Rande von kommunalen und überkommunalen Präsenztreffen waren unheimlich wertvoll. Diese fielen unter Coronabedingungen leider weg. Die Coronazeit war aber auch wertvoll. Es war möglich, trotz der Distanzregelung durch die digitalen Formate mit Kolleg*innen im Austausch zu bleiben. In Hamm wurde während der Coronazeit beispielsweise etabliert, sich monatlich in kürzeren Sitzungen über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen auszutauschen. Die Teilnahme an Videokonferenzen im Projektkontext war aber teilweise eine Herausforderung, da am Arbeitsplatz (in den OGS oder kommunalen Verwaltungen) nicht die richtige technische Ausstattung oder die entsprechenden Bedingungen (wie beispielsweise eine ruhige Atmosphäre) vorhanden waren.
Im Anschluss an das Projekt geht es in den Kommunen darum, die Ergebnisse und Entwicklungen, die sich aus dem Projekt ergeben haben in die bestehenden Strukturen zu überführen. In diesem Zuge gilt es auch, Prozesse, die durch das Projekt angestoßen, aber nicht abgeschlossen wurden, fortzuführen. Ein wichtiges Gremium hierbei ist in vielen Kommunen der kommunale Qualitätszirkel. Auch wenn die Prozesse teilweise in bestehende Strukturen und Gremien überführt werden können, so wird die Verstetigung der Zusammenarbeit in der Zukunft dennoch eine Herausforderung, da die externe Begleitung wegfällt und diese Verbindlichkeit nicht eins zu eins ersetzt werden kann.
Nach der Mittagspause hatten die Anwesenden die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Gallery Walks über die Prozesse, Entwicklungen und Ergebnisse in den Kommunen zu informieren und sich mit den Projektteilnehmenden aus den Kommunen auszutauschen. Ein paar Eindrücke von diesem Austausch sehen Sie unten auf den Fotos.
Den Blick nach vorne richtete im Anschluss Maia Areerasd, Vertreterin des Kinder- und Jugendrates NRW. In Ihrem Impuls rückte Sie insbesondere die Perspektive der Kinder- und Jugendlichen in den Fokus. Zunächst skizzierte Sie den Stand bezogen auf den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab dem Jahr 2026. In diesem Zuge betonte Sie, dass bei dem geplanten quantitativen Ausbau die Qualität nicht vernachlässigt werden darf. Ein wichtiger Faktor für die Qualität des (offenen) Ganztages sei hierbei die Demokratieförderung sowie Partizipation der Heranwachsenden. Laut aktueller Studienlage habe es in diesen Bereichen jedoch wenig Weiterentwicklung seit der Einführung von Ganztagsschulen in NRW gegeben. Gleiches gelte für die Förderung von Bildungsgerechtigkeit. Diese sei eines der Hauptziele bei der Einführung des Ganztages und speziell der OGS gewesen, bisher könne aber kein Zusammenhang zwischen Ganztagsteilnahmen und formalen Bildungschancen festgestellt werden. Der (offene) Ganztag, dies zeigen qualitative Studien, habe aber weiterhin das Potenzial, zu mehr Bildungsgerechtigkeit beizutragen und die Beteiligung von Kindern (und Jugendlichen) zu fördern. Für einen gelingenden Ganztag sei insbesondere eine enge Verzahnung zwischen Schule und Jugendhilfe auf unterschiedlichen Ebenen enorm wichtig. Eine enge Verzahnung auf der Praxisebene könne beispielsweise über die Rhythmisierung erreicht werden. Unterschiedliche Rhythmisierungsmodelle bürgen dabei ein großes Potential, die Systeme stärker miteinander zu verzahnen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen und zur Erreichung des Ziels einer gesteigerten Bildungsgerechtigkeit.
Im Anschluss an den Vortrag von Frau Areerasd stellte Cordula Heckmann, ehemalige Schulleitung der Rütli-Schule in Berlin und derzeit Vorsitzende des Berliner Fachbeirates für Inklusion, das Thema Schulentwicklung in den Mittelpunkt.
Der umfangreiche Schulentwicklungsprozess an der Rütli-Schule wurde im Jahr 2006 durch einen öffentlichkeitswirksamen Brandbrief der Lehrerschaft an den Berliner Senat angestoßen, in dem die Missstände, die normales Unterrichten unmöglich machten, aufgezeigt wurden. Die infolgedessen sehr große mediale Aufmerksamkeit war ein Katalysator für die Weiterentwicklung der Rütli-Schule.
Verschiedene Schulen wurden miteinander fusioniert, sodass die Rütli-Schule seit 2013 eine Campus-Schule ist. Diese wird von den Kindern und Jugendlichen von der ersten bis zur 13. Klasse besucht. Sie haben dort die Möglichkeit alle Abschlüsse (vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur) zu machen. Die Schule ist als gebundener rhythmisierter Ganztag organisiert. Alle Fachkräfte sind von 08:00 – 16:00 Uhr vor Ort, sodass die klassische Trennung von vormittäglichem Unterricht und nachmittäglichen „Betreuungsangeboten“ aufgehoben ist zugunsten einer stärkeren Verzahnung der beiden Systeme. Da die frühe Selektion beim Bildungsübergang von der Grund- zur weiterführenden Schule (sowie die vorherigen und anschließenden Bildungsübergänge) oftmals auf Kosten von Kindern aus benachteiligten Lebenslagen geht, wird an der Rütli-Schule das gemeinsame Lernen ausgedehnt und erst möglichst spät selektiert. Außerdem wird eng mit vorherigen (Kindertagesstätten) und anschließenden (z.B. Berufsberatung) Bildungsinstitutionen kooperiert, um Übergänge leichter zu gestalten.
Der Entwicklungsprozess, der aus der Rütli-Schule mittlerweile eine hoch angesehene und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Schule gemacht hat, wurde maßgeblich von der gemeinsam geteilten Haltung getragen, dass die Schule ein Ort ist, der für die Kinder und Jugendlichen da ist. Hierfür war es wichtig, sich auf den Prozess einzulassen, die Kinder, das Team und weitere Institutionen im Sozialraum einzubeziehen und gemeinsam nach Lösungen für die bestehenden Herausforderungen zu suchen. Zu Beginn wurde aus diesem Grund verstärkt darauf geachtet, dass es gemeinsame Orte und Zeiten für den Austausch aller Beteiligten gibt. Da diese Möglichkeiten von allen für wichtig erachtet wurden, wurden diese fortan auch beibehalten. Weiterhin war es essenziell, die Kinder in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, damit diese die Schule auch nach ihren Wünschen gestalten konnten und bis heute können.
Eine zentrale Erkenntnis im Entwicklungsprozess war, dass Kinder bereits vor ihrem Eintritt in die Grundschule erreicht werden müssen, um so Bildungsübergänge zu erleichtern. Eine weitere Erkenntnis war, dass es als Schule mehr Freiräume brauche, um den sehr unterschiedlichen Aufgabenstellungen und Anforderungen an Schulen gerecht zu werden. Insbesondere für die Förderung bildungsbenachteiligter Kinder seien diese Freiräume wichtig, da diese mit einer klassischen „Beschulung“ schlechter erreicht würden. Hier brauche es andere Strukturen und Formate. Für einen ganzheitlichen Blick und die Entwicklung der Kinder sind außerdem lokal organisierte Unterstützungssysteme notwendig. Eine enge Zusammenarbeit mit angrenzenden Systemen wie z.B. der Kinder- und Jugendhilfe sei unabdingbar und entlaste nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch die Fach- und Lehrkräfte.
Abschließend betonte Frau Heckmann noch einmal, dass im Mittelpunkt einer guten Schule immer die Kinder und Jugendlichen in all ihrer Verschiedenheit stehen. Um den Adressat*innen in ihrer Diversität gerecht zu werden, brauche es eine klare Haltung, ein gutes und abgestimmtes Miteinander der Beteiligten und Systeme sowie mehr zeitliche und personelle Ressourcen.
Nach dem Vortrag von Frau Heckmann verabschiedete und bedankte sich das Projektteam der DialOGStandorte bei den Anwesenden und insbesondere bei den Teilnehmenden des Projektes. Das Projekt war eine großartige Gelegenheit gemeinsam zu Wachsen und sich weiterzuentwickeln. Das Team wünscht den beteiligten Kommunen und Akteur*innen, dass sie die angestoßenen Prozesse und Entwicklungen auch über das Projekt hinaus mitnehmen, fortführen und in ihrem Alltag verankern können.