2. interkommunales Netzwerktreffen – Raumbestand in der OGS -Pädagogische (Re)organisation von Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten
„Wie kann der oftmals knappe Raumbestand in offenen Ganztagsgrundschulen (OGS) multifunktional und unter pädagogischen Gesichtspunkten (re)organisiert, gestaltet und genutzt werden?“
Diese Frage stand im Fokus des 2. interkommunalen Netzwerktreffens der Praxisebene im Projekt DialOGStandorte.
Neben Anregungen für Schulleitungen, Ganztagskoordinator*innen und weiterem Fachpersonal, wurden in der Online-Veranstaltung am 03.12.2020 auch Unterstützungsmöglichkeiten für die Vertreter*innen aus den kommunalen Verwaltungseinheiten und Träger aufgezeigt und herausgearbeitet. Darüber hinaus wurden den Teilnehmenden Austauschmöglichkeiten geboten, um ihr Wissen, ihre Erfahrungen sowie Fragen zum gewählten Schwerpunktthema zu teilen.
Unmittelbar nach einem kurzen thematischen Einstieg, begann die Fachveranstaltung mit einem ersten Austausch zur Frage, was es für eine gelingende Raumgestaltung in OGS aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler bedarf. Ein erstes Resümee der Diskutant*innen lautete, dass neben anregungsreichen Räumlichkeiten und Lernumgebungen auch individuelle Wohlfühlaspekte sowie freie Flächen und „Freiräume“ berücksichtigt werden sollten. Ganztagsschulen sind als Bildungsinstitutionen zwar in räumlicher und zeitlicher Hinsicht pädagogisch (durch)gestaltet, wenn sie aber dem Anspruch gerecht werden wollen auch Lebensort der Kinder zu sein, bedarf es selbstgestalteter und selbstbestimmter Freiräume in denen Kinder sich ‚unverzweckt‘ ausleben und ausprobieren können.
An diese ersten Annäherungen an das Schwerpunktthema schlossen sich zwei Fachvorträge an, die das Thema Raumgestaltung aus der Perspektive einer Kommune sowie einer OGS betrachteten. So stellte Frau Ingrid Daniels vom Schulträger der Stadt Krefeld einen kommunalen Ansatz vor, der systematisch die Schulen bei der Raumgestaltung unterstützt. In ihrem Vortrag „Multifunktionale Räume in Krefelder Offenen Ganztagsgrundschulen“ beschrieb sie den Entwicklungsprozess des „Krefelder Musterraumprogramms“. Ein kommunaler Ansatz, der der Steuerungs- und Praxisebene u.a. Orientierung für die Bewertung des Raumbestands Krefelder Schulen und sich daraus ergebender (baulicher)Entwicklungsbedarfe im Rahmen der Schulentwicklungsplanung gibt. Das „Musterraumprogramm“ ist eine fachliche Grundlage für Schulen und Schulträger zur multifunktionalen Schul(raum)entwicklung und somit ein Baustein in der Qualitätsentwicklung Offener Ganztag (Präsentation siehe rechts).
Stellvertretend für die Praxisebene stellte Ulrike Brack von der GGS Kohlkamp in Recklinghausen das Raumkonzept ihrer Schule vor, dass im Rahmen der Umstrukturierung des Bildungs- und Betreuungskonzeptes entwickelt wurde. Ausgangspunkt war hier die Einrichtung von Ganztagsklassen. Frau Brack schlug in Ihrer Darstellung einen Bogen von der Ausgangslage über Veränderungswünsche bzw. -notwendigkeiten bis hin zur aktuellen Umsetzung. Dabei ging sie sowohl auf Stolpersteine als auch auf Gelingensbedingungen ein. In Ihrer Schilderung des Entwicklungsprozesses wurde deutlich, wie wichtig die Einbeziehung aller Teilgruppen (multiprofessionelle Teams, Kinder, Eltern, (Schul)Träger etc) ist. Deutlich wurde aber auch, dass man nach einem Entwicklungsprozess stets auch wieder am Beginn eines neuen Prozesses steht, denn Evaluation und kritisch-konstruktive Überprüfung des Bestehenden zeigen auf, wenn veränderte Rahmenbedingungen einen erneuten Entwicklungsprozess notwendig machen (Präsentation siehe rechts).
In der anschließenden Austausch- und Diskussionsphase haben sich die Teilnehmer*innen den vier Themenräumen (1) Partizipation: Wie können Kinder Räume (mit)gestalten?; (2) Wie können Kommunen und Träger die Raumgestaltung unterstützen?; (3) Der Blick der Kinder: Wie können Frei(zeit)räume in der OGS gestaltet werden? und (4) Wie wirken multifunktionale Raumnutzung und multiprofessionelle Kooperation zusammen? zugeordnet.
Die Dokumentation der Diskussionsstränge in den vier Themenräumen finden Sie auf der rechten Seite.
Resümee der Online-Fachveranstaltung:
In den meisten Ganztagsschulen, die nicht von vorneherein als Ganztagsschulen konzipiert wurden, sind adäquate Räumlichkeiten eine knappe Ressource. Trotz intensivierter Förder- und Investitionsprogramme in den Ausbau der Ganztagsschulen, bleiben Finanzmittel begrenzt. Dazu kommt, dass Neu- und Umbaubauprojekte vom Planungs- über den Bauprozess bis hin zur Schlüsselübergabe einen langen Zeitraum umfassen. Realität ist deshalb für viele Ganztagsschulen, dass sie mit Raumbeständen und eine Schularchitektur auskommen müssen, die nicht darauf ausgelegt ist, Ganztagsschule zu sein. Der aktuelle Raumbestand ist entweder nicht oder nur sehr unzureichend darauf ausgerichtet, dass formale und non-formale sowie informelle Bildungsprozesse an einem Lernort – eben dem Lernort Ganztagsschule - umgesetzt oder realisiert werden können. Auch eine schulische Öffnung hin zum sozialen Nahraum und den darin agierenden Akteuren wird vielfach durch bauliche und regulatorische Hürden erschwert.
Mitunter verschärfen sich die Raumprobleme sogar mit steigender Qualität der Ganztagsschulen, denn mit steigendem Erfolg des Modells Ganztagsschule und mit steigender Akzeptanz auf Seiten der Eltern und Kinder, erhöht sich die Nachfrage und damit verschärfen sich Kapazitäts- bzw. Raumprobleme zusätzlich.
Neben einer Betrachtung der Ressourcen-Ausstattung und zunehmender Kapazitätsprobleme, ist das Thema Raumgestaltung und -nutzung auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass Ganztagsschulen ja nicht nur Bildungsinstitutionen und Lernorte sind, sondern für alle in den Ganztagsschulen tätigen Personen, seien es einschlägig qualifizierte Fach- und Lehrkräfte, Kooperationspartner*innen und andere Personen, sind Ganztagsschulen auch tagtägliche Arbeitsstätte. Insofern müssen Schulen auch einen Raumbestand vorhalten, die ein professionelles Arbeiten und eine multiprofessionelle Kooperation ermöglichen und befördern.
Ganz besonders sollten aber die Adressat*innen in den Blick genommen werden, denn für eine große und steigende Anzahl an Kindern ist die Ganztagsschule selbstverständlicher Teil ihrer Lebenswelt. Hinzu kommt, dass zunehmend mehr Kinder so viel Zeit in den Ganztagsschulen verbringen wie kaum eine Lehr- oder Fachkraft oder ein anderer Erwachsener. Von daher ist es folgerichtig bei Planungsprozessen den Blick nicht nur auf die Notwendigkeiten des Systems oder der Professionellen zu lenken, sondern bei allen Planungsprozessen zur multifunktionalen Raumgestaltung auch stets die Sichtweisen der Kinder mit einzubeziehen.
Für nachhaltige und erfolgreiche Planungs- und Reorganisationsprozesse des Raumbestandes ist es von daher wichtig ausreichend Zeit einzuplanen, ziele realistisch zu setzen und alle Akteure mit einzubeziehen und im Prozess mitzunehmen.